02
Mär
10

Abmahnbetrug mit Paysafecard

Ein bisher unbekannter Täter nutzt die Bereitschaft von Internetnutzern, bei Porno-Vorwürfen auch schuldlos zu zahlen

 

Pornografische Werke sind der Bereich, in denen die Abmahnmaschinerie am geschmiertesten läuft. Das hat mehrere Gründe: Zum einen können die Abmahner im Gegensatz zu anderen Film- oder Musikgenres mit zusätzlichen Ermittlungen wegen Verstößen gegen den [extern] § 184 StGB drohen, zum anderen ist das Peinlichkeitspotenzial so groß, dass ein Abmahner sich praktisch keine Gedanken darüber machen muss, ob jene Personen, die er anschreibt, sich tatsächlich schuldhaftes oder fahrlässiges Handeln vorzuwerfen haben, weil sie häufig lieber den geforderten Betrag zahlen, als die Ehefrau oder den Familienanwalt von den Vorwürfen wissen zu lassen.

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Nun nützte ein Betrüger den Ruf einer Rechtsanwaltskanzlei und die Möglichkeit zum anonymen Zahlen. Er schrieb offenbar ausschließlich an männliche Personen, deren Adressen er im Internet fand – darunter auch Telepolis-Leser, die uns das Schreiben weiterleiteten. Der Brief wurde per Email verbreitet, enthielt aber auch die zur Emailadresse gehörige Postadresse des Empfängers. Neben dem Absender „anklage@kanzlei-knil.de“ sind in dem Schreiben auch andere Adressen mit dieser Endung aufgeführt. Die dazugehörige Domain existiert und ist laut [extern] Denic auf eine im polnischen Lublin wohnhafte Person eingetragen.

Zusätzlich zu dieser „Kanzlei Knil“, die sich nicht im amtlichen Anwaltsverzeichnis findet, nennt die Betrugsmail die für Abmahnungen im Pornobereich bekannt gewordene Kanzlei KUW. Das dazu aufgeführte Postfach 10 03 27 in 93003 Regensburg gehört zur 2008 abgetrennten „Forensik- und Forderungsabteilung“ von KUW, die nun unter dem Namen [extern] C+U firmiert. Auch die beiden am Schluss des Schreibens namentlich genannten Rechtsanwälte Thomas Urmann und Christopher Lihl sind jetzt bei C+U. Bei dem in [extern] KWB umbenannten Teil der [extern] ehemals unter KUW firmierenden Kanzlei erhielt Telepolis die Auskunft, dass es sich bei den Kanzlei-Knil-Mails um einen Betrugsfall handeln würde und man gerade dabei sei, Strafanzeige zu stellen. C+U weist auf der Firmenwebsite ebenfalls jede Verantwortung für die Mails von sich.

Das mit einer persönlichen Anrede und dem Betreff „Klage wegen Urheberrechtsverletzung pornografischen Materials“ versehene Schreiben orientiert sich in seinen Formulierungen am Text echter Porno-Massenabmahnungen, enthält aber mehr Rechtschreib-, Grammatik- und Kommafehler. Im Text wird behauptet, der Empfänger habe sich „durch das Herunterladen urherberrechtlich [sic] geschützer [sic] Werke […] laut § 106 Abs 1 UrhG i.V. mit §§ 15,17,19 Abs. 2 pp UrhG nachweislich strafbar gemacht“.

Für den Internetanschluss des Empfängers, so die Mail, seien nämlich mehrere nicht näher genannte „Downloads von pornografischen [sic] Videomaterial und musikalischen Werken dokumentiert worden“. Diese in einem „sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerk“ durchgeführten Downloads seien Urheberrechtsverletzungen, weil an den nicht spezifizierten Werken die Firma Videorama ausschließliche „Nutzungs- und Verwertungsrechte im Sinne der §§ 15ff UrhG bzw. § 31 UrhG“ habe. Die Essener Firma Videorama GmbH ist neben Magmafilm der bekannteste deutsche Pornografieanbieter, was für einen hohen Wiedererkennungswert bei den Angeschriebenen sorgen dürfte. Bei dem Unternehmen konnte bisher noch niemand für eine Stellungnahme erreicht werden.

Die in dem Schreiben aufgestellte Behauptung, es würde sich bei dem Material um „geschützte Werke gemäß § 2 Abs 1 Nr. 1 UrhG“ handeln, wäre selbst bei einer echten Pornoabmahnung mit Vorsicht zu genießen. Ob der häufig doch sehr vorhersagbaren Gestaltung der Geschlechtsakte die für einen Urheberrechtsschutz notwendige Schöpfungshöhe zukommt, oder ob bloße Leistungsschutzrechte beansprucht werden können, ist eine Frage, bei der Gerichte möglicherweise durchaus anders entscheiden würden, als von echten Anwälten ebenso wie von Betrügern behauptet.

Dokumentiert worden sei die Urheberrechtsverletzung von einem Dienstleister, der „die einschlägigen Tauschbörsen im Internet technisch beobachtet und die IP-Adresse von Verletzern feststellt“. Mit der IP-Adresse sei bei der Staatsanwaltschaft Essen Strafanzeige gegen den Empfänger der Mail gestellt worden, die über eine Anfrage beim – nicht näher spezifizierten – Provider des Empfängers der Mail dessen Namen und Adresse feststellte. Durch Einsicht in die Ermittlungsakte sei die Kanzlei dann an die persönlichen Daten gelangt.

Weil die Staatsanwaltschaft Essen der Mail zufolge „gerade bei pornografischen [sic] Material und musikalischen Werken“ ein „großes Interesse“ daran habe, „jeden Nutzer genau zu überprüfen“, mache man dem Empfänger das folgende „Angebot“:


Um weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und anderen offiziellen Unannehmlichkeiten wie Hausdurchsuchungen, Gerichtsterminen aus dem Weg zu gehen, gestatten wir ihnen den Schadensersatzanspruch unseres Mandanten vollständig anonym zu bezahlen. Wenn sie anonym bezahlen garantiert unser Mandant der Staatsanwaltschaft mitzuteilen das [sic] der Schadensersatzanspruch irrtümlich gegen sie gerichtet worden ist, und alle Ansprüche gegen Sie fallengelassen werden sollen. Wenn die Staatsanwaltschaft keinen Auftrag hat kann sie auch nicht tätig werden!

Dafür müsse man aber den „Schadensersatzanspruch von 100 Euro bis zum 01.03.2010 sicher und unkompliziert mit einer [extern] Paysafecard […] bezahlen.“ „Eine Paysafecard“, so das Schreiben weiter, sei die „sicherste Bezahlmethode im Internet und für jeden Bürger anonym an Tankstellen, Kiosken etc. zu erwerben.“ Den 16-stelligen Pin-Code der 100 Euro Paysafecard müsse der Empfänger der Mail nur an die Email-Adresse „zahlung@kanzlei-knil.de“ schicken, wo man sie anhand der Absenderadresse zuordnen könne. Würde die Zahlung nicht innerhalb der gesetzten Frist eingehen, so die Mail, dann würde das Schreiben „nochmals auf dem normalen Postweg“ zugestellt und „das Ermittlungsverfahren mit allen Konsequenzen“ eingeleitet. Über die in dem Betrugsversuch zusätzlich aufgeführte Kontonummer 8 40 10 11 55 wollte man bei der als Bankverbindung aufgeführten Sparkasse Regensburg keine Auskunft geben.

Gefunden bei: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32167/1.html


1 Antwort to “Abmahnbetrug mit Paysafecard”



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